Baustelle Corona
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Baustellenbetrieb in Corona-Zeiten: Darauf ist jetzt zu achten

Bausozialpartner einigen sich rechtzeitig auf adaptierte Handlungsanleitung für ein sicheres Arbeiten auf Baustellen zu Beginn des zweiten Lockdowns

Mit Beginn des zweiten Lockdowns häufen sich naturgemäß viele Fragen über Arbeitspflicht und gesundheitliche Maßnahmen im Betrieb und auf Baustellen.

Rechtzeitig einigen sich die Bausozialpartner auf eine Adaptierung der COVID-19-Maßnahmen zum Gesundheitsschutz auf Baustellen. Diese werden nun an alle Betriebsräte und Betriebe übermittelt. GBH-Bundesvorsitzender Josef Muchitsch: „In den letzten Tagen erhielten wir viele Anfragen bezüglich Schutzmaßnahmen auf Baustellen. Deshalb war es uns wichtig, Klarheit zu schaffen. Unser gemeinsames Ziel war es – wie schon beim 1. Lockdown – den bestmöglichen Schutz der Gesundheit für alle Beschäftigten zu schaffen, nur so ist das Weiterarbeiten auf unseren Baustellen auch möglich.“

Grundlage war der im Frühjahr bereits geschaffene 8-Punkte-Maßnahmenkatalog. Unter Einbindung des Zentral-Arbeitsinspektorates wurden bestehende COVID-19-Maßnahmen eingearbeitet und Textpassagen aufgrund der neuen Maßnahmen evaluiert.

Die neue Handlungsanleitung für das sichere Arbeiten auf Baustellen gibt es hier zum Downloaden

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Infos zum 1. Lockdown im März

Nach dem angeordneten Lockdown der Regierung wurden auch viele Baustellen eingestellt, die in der Zwischenzeit wieder hochgefahren wurden. Seither gibt es eine Menge an Rechtsunsicherheit zum Betrieb der Baustellen, zur Einstellung der Baustellen und vor allem zu den Mehrkosten. Hier einige Klärungen:

Bautätigkeit prinzipiell erlaubt

Die Bautätigkeit ist grundsätzlich erlaubt, weil das Betreten von (öffentlichen) Räumen für berufliche Zwecke ja erlaubt ist. Die vereinbarten Schutzmaßnahmen müssen allerdings eingehalten werden.

Häufige Probleme  bei den Schutzmaßnahmen

Eine der schwierigsten Aufgaben dabei betrifft die "Organisatorischen Maßnahmen", wie Rückmeldungen aus der Bauwirtschaft zeigen.

Trennung von Arbeits- und Aufenthaltsbereichen sowie Arbeitern, um die Anzahl der Exponierten zu senken; z.B. zeitliche Staffelung von Arbeiten und Pausen, räumliche Trennung von Arbeitsbereichen im SiGe-Plan, Vorausschauende Planung im Rahmenn der technischen Möglichkeiten, damit immer nur wenige Arbeiter an einem Ort sind.

Wobei kürzlich das Thema der Risikogruppen hinzugekommen ist. Wer hier nicht reagiert, muss im Ansteckungsfall und bei schlechtem Ausgang mit einer Haftung rechnen.

Achtung: Die Regelungen betreffen auch die Transporte: Die Polizei ahndet mit Verwaltungsstrafen, wenn beispielsweise im Auto bei Mitanahme von Fahrgästen keine Schutzmaßnahmen getragen werden!

Überarbeitung des SiGe-Plans

Der Punkt 8 der Schutzmaßnahmen für Baustellen regelt die Bauarbeitenkoordination: Der Bauherr bzw. Baukoordinator hat die Koordination auf der Baustelle an Covid-19 anzupassen, und zwar hinsichtlich:

  • Organisation des Besprechungswesens
  • Prüfung der sonstigen kollektiven Schutzmaßnahmen
  • Schutz gegenüber Dritten
  • Desinfektions- und Reinigungsmaßnahmen
  • Maßnahmenplan bei Corona-Erkrankungen
  • Schutzmaßnahmen beim Stilllegen von Arbeitsbereichen
  • Prozedere bei Baustellenanlieferungen

Auch ein bereits bestehender SiGe-Plan ist zu adaptieren. Die Arbeitnehmer sind damit verpflichtet, diese zusätzlichen Vorgaben einzuhalten und der Baukoordinator hat seine Pflichten erfüllt.

Beispiele für Umsetzung der Schutzmaßnahmen

  • "Kontaktfreie" Baubesprechungen (z.B. Videokonferenzen)
  • Arbeiten- und Pausenplan umgestalten
  • Schulung der Arbeiter, Hinweisschilder

Einseitiges Einstellen der Baustellen

Grundsätzlich ist das Einstellen einer Baustelle ein vertragswidriger Zustand, den man aber für einen gewissen Zeitraum wird rechtfertigen können. Baufirmen benötigen Zeit, um gewisse Maßnahmen (Schutzausrüstung, Überarbeitung des SiGe-Plans etc.) umzusetzen. Allenfalls wird es zu Diskussionen über die Dauer der Einstellung der Baustelle kommen.

Achtung: Es gibt auch die Mitwirkungspflichten des Bauherrn bzw. Baukoordinators. Ist eine Fortführung wegen fehlender Mitwirkung nicht möglich, kommen evtl. Schadenersatzforderungen zum Tragen bzw. ist ein Rücktritt vom Vertrag als Baufirma möglich.

Mehrkosten und Terminverzögerungen

Ist die ÖNORM B2110 vereinbart, so gilt grundsätzlich die Sphärentrennung Bauherr (BH) und Baufirma (BF). Jeder trägt das Risiko für Umstände aus seiner Sphäre und muss für die Mehrkosten, die durch Störungen in seiner Sphäre aufkommen.

Aber: Höhere Gewalt bedeutet neutrale Sphäre

Ist Covid-19 höhere Gewalt?

Da auch im Bereich der neuen Mieten-Covid-19-Gesetzgebung der Begriff "Seuche" gefallen ist, ist davon auszugehen, dass auch im Bereich der Bauwirtschaft Covid-19 als "höhere Gewalt" eingestuft wird.

Allerdings kann man sich nicht einfach zurücklehnen, denn nicht jede Behinderung oder Unplanmäßigkeit infolge von Covid-19 fällt in die neutrale Sphäre. Eine Abgrenzung ist im Einzelfall zu entscheiden!

Prinzipielle Richtlinie (derzeitige Rechtsmeinung):

Wurde die ÖNORM B 2110 vereinbart ergibt sich die Sphärenverlagerung zum BH; das heißt er trägt das Risiko für höhere Gewalt (für alle Ereignisse, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht vorhersehbar waren und von der BF nicht in zumutbarer Weise abwendbar waren)

>> Die Baufirma kann daher Mehrkosten verlangen. und hat Anspruch auf Bauzeitverlängerung

Wurde die ÖNORM B 2110 nicht vereinbart, so gilt das ABGB und die neutrale Sphäre ist der BF zuzurechnen

>> Mehrkosten und Verzögerungen treffen die BF. Sie kann daher keinen Ersatz dafür beanspruchen und auch keine Bauzeitverlängerung verlangen. ABER: Da die BF auch kein Verschulden trifft, gibt es auch keinen Schadenersatz und keine verschuldensabhängige Pönale.

Fortführungsverpflichtung

  • Covid-19 ist kein pauschaler Einstellungsgrund; Baustopp kann bei möglicher Fortführung nicht ohne weiteres mit höherer Gewalt begründet werden

Beispiel: Die Arbeiter aus Polen können derzeit nicht einreisen. Die Baufirma muss sich daher um Ersatz bemühen.

  • Kann die Abstandsregel prinzipiell eingehalten werden und stellt die Baufirma dennoch die Baustelle ein, kann die Baufirma keine Terminverschiebung verlangen, sondern trifft sieh eher das Schadenersatzrisiko wegen Vertragsverletzung.

Rechtsexperten raten daher zu partnerschaftlichem Vorgehen, in dem z.B. eine Stillhaltevereinbarung zwischen Baufirma und Bauherr getroffen wird.

Schadenersatz

  • Die Beurteilung der Schadenersatzverpflichtung erfolgt grundsätzlich nicht durch Sphärentrennung
  • Schadenersetz setzt ein Verschulden der anderen Seite (Bauherr/Baufirma) voraus
  • Covid-19 ist kein Verschulden. Eine daraus entstehende Verzögerung begründet daher i.d.R keine Schadenersatzforderung
  • ACHTUNG: Unbedingt evtl. Maßnahmen dokumentieren. Denn: Im Einzelfall ist zu entscheiden, ob die Verzögerung beispielsweise auch ohne Corona-Krise zustande gekommen wäre.

Pönaleforderungen (Konventionalstrafen)

Das 2. Covid-19-Begleitgesetzt sieht eine Sonderregelung vor.

Unklar an der Regelung ist, für welche Dauer die Pönaleforderungen ausgesetzt sind. Etwa: Wie lange war die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt?

Quelle der Informationen: KSV-Webinar "Baustopp - was nun" mit RA Philipp Scheuba, Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert GmbH